Sind wir real?

von Andrea

25. Februar 2016 (überarbeitet im Dezember 2024)

Um diese Frage zu beantworten, stelle ich mir vorab noch die Frage, wer ist eigentlich derjenige, der oder die erkennt bzw. nicht erkennen kann, was wirklich und was simuliert ist. Wer ist z.B. eigentlich „ich“ ist bei Decartes, wenn er sagt „ich denke, also bin ich“ Wer ist dieses „ich“, das Descartes offensichtlich mit dem Denken gleichsetzt. Ist dieses „ich“ wirklich etwas so sicheres?

Aus meiner Sicht ist das heute nicht mehr so leicht zu behaupten und es muss nämlich zununächst sichergestellt werden, dass es überhaupt etwas oder jemanden gibt, der erkennen kann, was Wirklichkeit und was Simulation ist. Im Zusammenhang damit ist selbstverständlich auch zu klären, was Wirklichkeit ist.

Was Simulation ist, kann hingegen erst einmal beiseite gestellt werden, denn eine Simulation kann es ja nur geben, wenn es überhaupt eine erkennbare Wirklichkeit gibt, die simuliert werden kann.
Mit der Frage, was dieses „ich“ ist und damit in gewisser Weise auch, was die Wirklichkeit ist, beschäftigt sich heute nicht nur die Philosophie sondern auch die Neurobiologie.
Deren Erkenntnisse legt der Philosoph und Bewusstseinsforscher Thomas Metzinger in seinem Buch „Der Egotunnel“ dar. Er zeigt, dass das Ego lediglich ein virtuelles Werkzeug sei, das sich entwickelt hat, damit wir mit seiner Hilfe unser eigenes Verhalten kontrollieren und vorhersagen und das Verhalten anderer verstehen konnten. Jeder von uns lebt sein bewusstes Leben in seinem eigenen Ego-Tunnel, ohne direkten Kontakt mit der sogenannten Wirklichkeit Und er führt weiter aus: Wir sind Ego-Maschinen, aber wir haben keine Selbste. Das Ego und sein Tunnel sind repräsentionale Phänomene: Sie sind nur eine von vielen möglichen Weisen, in denen bewusste Wesen ein Modell der Wirklichkeit erzeugen können.

Danach ist das “ ich“ also bereits eine Fiktion oder wie Metzinger sagt ein Werkzeug. Aber es ist kein Werkzeug zur Erkenntnis der Wirklichkeit sondern eines zu dessen Erzeugung. Lebe ich dann vielleicht bereits in meiner eigenen Simulation, indem ich mir meine Wirklichkeit erzeuge? Oder ist vielleicht die von mir erzeugt Wirklichkeit bereits die wirkliche Wirklichkeit ? Oder gibt es noch eine absolute Wirklichkeit neben der von mir erschaffenen?

Diese Frage aber muss ich natürlich unbeantwortet lassen, da es mir – sofern ich mich als das Ego i.S. Metzingers betrachte- als Werkzeug der Erschaffung der Wirklichkeit nicht möglich sein kann, dies zu erkennen. Ich kann nur wieder neue Wirklichkeit schaffen, indem ich dies bejahe oder verneine. Um weiter zu kommen, erkenne ich ersteinmal die erschaffene Wirklichkeit als „die Wirklichkeit“ an,
Gibt es dann vielleicht noch die Simulation jeder von einem einzelnen oder allen „erschaffenen“ Wirklichkeit?

Die Simulationshypothese des Zukunfftsforscher Nick Bostroms besagt, dass wir in einer Computersimulation leben könnten, die von einer fortgeschrittenen Zivilisation erschaffen wurde. Darin werden Gehirne so detailliert virtuell nachgeahmt, dass sie Bewusstsein erzeugen und in etwa die Erlebniswelt des Simulators produzieren. Diese These ist weder zu beweisen noch zu widerlegen.
In dem Film „Matrix“ führen vom Menschen selbst erschaffene Maschinen mit künstlicher Intelligenz einen Krieg gegen diese. Die Maschinen in „Matrix“ entwickelten die Computersimulation der sog. Matrix, um die bewusstlosen Menschen unter Kontrolle zu halten. Die Köper der Menschen liegen unbeweglich und an zahlreiche Leitungen angeschlossen. Hier ist für den Zuschauer- ganz einfach zu erkennen, was Simulation und was Wirklichkeit ist. Beides besteht parallel. Für einen Filmzuschauer ist es erkennbar, weil der Film uns die Wirklichkeit und die Simulation vorgibt. Im Falle, dass Bostroms Hypothese Wirklichkeit ist, ist das nicht zu erkennen.

Und wie sieht es mit der Frage nach der Wirklichkeit im Hinblick auf die mediale und die digitale Welt aus ? Vielleicht kommt ja auch von dieser Seite die Simulation unserer Welt? Laut Jean Baudrillard wird es hier immer schwieriger die Wirklichkeit und die Simulation zu unterscheiden. Merke ich das überhaupt noch? Der Philosoph und Soziologe Baudrillard sieht ein umfassendes Netz von Simulationen, welches die Stelle der Wirklichkeit eingenommen hat. Mittels entsprechender Software sind die medialen Abbildungen der Welt täuschend echt zu manipulieren. Aus seiner Sicht überholt Simulation die Realität, die Differenz von Wahrheit und Täuschung spielt eine immer geringere Rolle. Die reale Welt wird von ihrer Simulation entwertet. Er spricht von einer „Hyperrealität“. Er sagt auch, dass die Realitätt verschwunden ist. Ein umfassendes Netz von Simulationen habe sich an ihre Stelle gedrängt.

Wir leben demnach also heute im Zeitalter der Simulation, einem gesellschaftlichen Zustand, in dem Zeichen und Wirklichkeit zunehmend ununterscheidbar werden.? Es gibt oder wir sind das Ego, das sich seine Wirklichkeit erschafft. Diese Wirklichkeit wird seitens der medialen und digitalen Welt simuliert und beide Bereiche kaum mehr zu unterscheiden. So gesehen leben wir sowohl in der Wirklichkeit als auch in der Simulation.

Ob es zudem vielleicht noch eine weitere Simulation gewissermaßen von außen gemäß der Bostrom- Hypothese- bzw, wie im Film „Matrix“ gibt, wird das sich die Wirklichkeit erschaffende oder im Falle einer solchen Simulation- scheinbar die Welt erschaffende Ego wohl eher nicht feststellen können. Denn dieses hat bei seinem Blick durch den Egotunnel ja immer den Eindruck einer bereits vorhandenen Wirklichkeit.

Also sitzen wir erkenntnismäßig fest, jedem inner- und außerweltlichen Simulationsbegehren heillos ausgeliefert?

Im Film „Matrix“ lernen die Helden Morpheus und Neo, dass in der Simulation der Matrix physikalische Gesetze durch mentale Kraft erkannt und der Code durch diese überschrieben werden kann. Vielleicht ist hier der Ausweg?

Haben wir neben dem die wirklichkeitserschaffenden Ego ggf. als bewusste Wesen doch noch eine echte Erkenntnismöglichkeiten? Dieses legen jedenfalls die spirituellen Überlieferungen aller Kulturen nahe. Sie sprechen von Erkenntnissen, die durch das Denken allein nicht zugänglich sind. Denken können ja auch die, an die Matrixmaschine angeschlossenen, Menschen, aber sie bleiben gefangen in der Simulation. Können wir vielleicht wie Morpheus und Neo durch eine das Denken überschreitende Geisteskraft Simulation erkennen und ihr entkommen?

In den östlichen Philosophien gibt es neben einem Ego, welches hier ohnehin eine Fiktion ist – das Selbst, das ein Teil eines allumfassenden Bewusstseins ist. Der Mensch kann lernen, durch Bewusstseinsschulung die Egotäuschung zu durchschauen und höhere Erkenntnisse erlangen. Diese Erkenntnis wird durch spirituelle Praxis gewonnen. Decartes „cogito ergo sum“, das die vollkommene Identifikation mit dem Denken bedeutet, wird hier als Irrtum betrachtet. Und auch Metzinger sagt, dass das Ego und sein Tunnel lediglich eine Möglichkeit der Wirklichkeitserzeugung sind.

Wir könnten doch vielleicht versuchen, unser Bewusstsein schulen, um die Chance zu erhöhen, der Matrixmaschine, der Hyperrealität Baudrillards und jeder weiteren perfiden Simulation notfalls entkommen zu können. Es wäre den Versuch wert.
Seien wir achtsam!

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