Hier stehe ich
29. April 2016
von Andrea
Auch ich gehöre keiner philosophischen Lehre an. (jedenfalls nicht, dass ich wüßte) Aber ich bin wohl ein Kind der Postmoderne*.
„Unklares klar machen“ und „Dinge erkennen“ sagst Du, klingt ja gut. Bestimmt können wir ja unsere Sinne und unser Denken schulen. Aber wie wollen wir denn Erkenntnis erlangen, durch vernüftiges Denken? Unsere Erkenntnismöglichkeiten sind m.E. ganz relativ. Ich sehe es wie Foucauld (Das Licht, das die Vernunft ins Dunkel undurchschauter Abhängigkeiten gebracht hat, wird – um eine Metapher Foucaults aufzugreifen – nunmehr als ›Falle‹ empfunden; denn die erreichte Transparenz ermöglicht zugleich universelle Überwachung, Kontrolle und Disziplinierung alles Andersartigen und Fremden, nicht zuletzt auch der ›unvernünftigen‹ inneren und äußeren Natur. s.u.)
Ich schätze Wittgenstein ebenfalls sehr. Wittgenstein ist es zu danken, dass wir der Sprache nicht mehr trauen und uns durch diese nicht mehr auf falsche Fährten führen lassen.
In den Philosophischen Untersuchungen warnt er vor der „Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache“- Verwobenheit von Denken und Sprechen prägt unsere Lebensform. Wunderbar erkannt!
Du schreibst auf dem blog unter „was wir wollen“, dass Du die „wirkliche“ Natur der Dinge erkennen willst und dass Du erkennen willst, „was die Welt im innersten zusammen hält“. Da bin ich nicht mehr dabei, das ist metaphysisches Denken.
Ich freue mich zwar auch über die Erkenntnis, dass ich auf irgendeinen „Holzweg“ geraten bin. Ich glaube aber nicht an „den Weg“, an die „Wahrheit“.
Obwohl ich als spiritueller Mensch auch sagen könnte “ Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Johannes Evangelium 14,6), aber das ist eine andere Ebene, das ist Mystik. Hier ist Erkenntnis auf anderem Weg zu erlangen. Übrigens kann man hier auch den verehrten Wittgenstein wiedertreffen. Literaturempfehlung hierzu: „Der Denker als Seiltänzer. Ludwig Wittgenstein über Religion, Mystik und Ethik“.)
Postmoderne:
*Angesichts des in vielerlei Hinsicht desaströsen Zustands der weitgehend durch rationale Prozesse bestimmten Wirklichkeit nicht nur am Ende des 20. Jhs. ist der Glaube der aufgeklärten Moderne an die Universalität und Einheit der sich aus sich selbst heraus rechtfertigenden und begründenden Vernunft immer stärker ins Wanken geraten. Vernunftkritik und Vernunftschelte sind geradezu in Mode gekommen; sie gelten dem schon von Nietzsche, einer Vaterfigur der Postmoderne, diagnostizierten ›Wahnsinn‹ der Vernunft, der allgegenwärtiger zu sein scheint als selbst die bescheidensten Realisierungsansätze jener optimistischen Heilsvisionen von Descartes über Condorcet bis hin zu dem trotz aller Kapitalismuskritik grundsätzlich kaum skeptischeren Spätaufklärer Marcuse, die darin übereinstimmen, dass sie von der Durchsetzung von Vernunft und Wissenschaft den mühelosen Genuss aller Früchte und Annehmlichkeiten der Erde für alle Menschen erwarten. Repression und Zerstörung, eurozentrische, phallozentrische und technische Machtausübung stehen in dem Verdacht, das Werk der einst als Befreierin von bestehenden Geltungs- und Machtansprüchen gepriesenen Vernunft zu sein. Die von ihr begonnene Kritik an tradierten Inhalten hat sie selbst eingeholt: Auch das Vermögen der Kritik wird zum Gegenstand metakritischer Betrachtung. Das Licht, das die Vernunft ins Dunkel undurchschauter Abhängigkeiten gebracht hat, wird – um eine Metapher Foucaults aufzugreifen – nunmehr als ›Falle‹ empfunden; denn die erreichte Transparenz ermöglicht zugleich universelle Überwachung, Kontrolle und Disziplinierung alles Andersartigen und Fremden, nicht zuletzt auch der ›unvernünftigen‹ inneren und äußeren Natur.