Wie kam die Idee in die Welt?
15. Juni 2018
von Rainer
Wer erdachte die „Idee“? Was ist die „Idee“?
Sokrates disputiert in Platons „Symposion“ („Gastmahl“) über eine Rede von Agathon über den Eros. Doch anstatt selbst das hohe Lied auf die Schönheit (Liebe) anzustimmen, deckt er die Schwächen und Defizite des Erosbegriffs in der Rede Agathons auf.Die Reden Agathons und seiner Freunde waren Lobreden auf Eros die Schönheit. Sokrates verneint diese Eigenschaften. Sein Argument: Ist Eros immer Liebe zu etwas und Eros bezieht sich begehrend darauf → dann besitzt er es nicht → er ist also weder schön, noch gut.
Daher ist Eros erst einmal ein Begehren, ein Verlangen erscheint destruktiv – hieraus entwickelt Sokrates (Platon) aber eine platonisch, mehr philosophische Erostheorie.
Weisheit ↔ Torheit
1.Alle Götter sind „glückselig“
2.Alles Glückselige besitzt das Gute
3.Alle Götter besitzen das Gute
Entspricht dem folgenden:
1.Alle S sind P / S a P
2.Alle P0 sind P1 → Logik: a = b / b = c / a = c
Kein Gott bedarf des Schönen oder Guten!
→ Eros ist kein Gott! (Der Mensch ist sterblich ↔ Götter sind unsterblich)
Grundlegung der Philosophie (klassisches Denken war „spekulativ“)
1.→ die Götter philosophieren nicht → sie besitzen die Weisheit schon
Weisheit ist eine Tugend → die Idee
2.Toren sind den Göttern gleich → sie philosophieren nicht
→ nicht weise (Sterbliche besitzen keine Weisheit)
→ Ungleichheit
Götter sind sich selbst genug!
Idee als „göttlicher Gedanke“
„In der Idee des Schönen…“ strukturiert sich ein Streben in 5 Stufen:
1. in der Jugend geht er einer schönen Gestalt nach…
2. erste Stufe der Einsicht
es entsteht eine Gleichheit! der Schönheit (Abstraktion)
→ Liebender aller schönen Leiber
→ Nachlass der Liebe zu einem Leib
→ Übergang von einem zu allem
3. ist 2.Stufe der Einsicht: noch größere Abstraktion
→ weg vom Leib
→ Schönheit der Seelen wird wichtig
→ den anderen „kultivieren“ (praktische Stufe)
(Stufe 1 + 3 sind ästhetische Stufen)
4. (+5.) sind theoretische Stufen (griech. Theorie – einsehen)
Schönheit der Erkenntnis (1.Streben nach Weisheit)
→ schöne Erkenntnis
in dieser Stufe kommt die Philosophie zu sich selbst
→ er ist bei sich, philo sophia
5.Idee der Schönheit – Idee seiner selbst
→ Stufe der Vollendung der Lebenskunst
→ „Adam berührt den Gott“
[Mathe: Abstraktion von der Existenz (1+1+1 & 1+1)]
Das heißt „neben dem vielen Schönen die Schönheit selber gibt und dass das sinnlich
Zugängliche nur schön ist aufgrund seiner Teilhabe am Schönen selbst.“
Diese Theorie der Idee beschreibt einen Erkenntnisprozess und die Entwicklung einer
Lebensform, orientiert am wirklich Schönen, das „ewig ist und weder entsteht noch
Vergeht, weder wächst noch schwindet, und das nicht auf die eine Art schön, auf die
Andere hässlich ist.“ (211a1/2)
Idee ist das Wahre! Ideen sind göttlich!
Augustinus
Zwar soll Plato als erster von der Idee gesprochen haben, jedoch gab es bei anderen
Völkern auch Weise denen diese Ideen bekannt waren (Augustinus).
Wichtig ist hier die Differenz zwischen Name und Sache.
Ideen sind Urformen oder feststehende, unverrückbare Sachverhalte… (dass) die Ideen
weder entstehen noch vergehen…“
Nur die vernünftige Seele kann Ideen begreifen (der Heilige Geist).
Die Seele schaut mit Intuition nach innen.
Renaissance (Michelangelo)
Das Schöne als Erscheinen der Idee – der Bildhauer ließ es aus dem Stein hervortreten.
Gott bedarf keines Materials – der Künstler wohl.
Hegel
„Was vernünftig ist, ist wirklich;
und was wirklich ist, das ist vernünftig.“
„…das Vernünftige, was synonym ist mit der Idee, indem es in seiner Wirklichkeit zugleich in die äußere Existenz tritt, tritt in einem unendlichen Reichtum von Formen, Erscheinungen und Gestaltungen hervor…“
Das „Ich“ begreift „sich“ – Ich begreife Ich
Der absolute Geist: Kunst, Religion, Philosophie
(Natur weiß nicht von sich, dass sie vernünftig ist)
→ logische Idee
Philosophie: ihre Zeit in Gedanken gefasst
Nichts ist wirklicher als die Idee.
Hallo Rainer,
danke auch für diese brillante Zusammenstellung der Seminarsthemen.
Ich merke auf meinem Weg durch die Themen, wie fremd mir die spekulative Philosophie ist und frage mich so „wozu ist denn das nutze?“. Wie kann ich damit umgehen, wie mich darauf einlassen? Ich habe bisher Seminare über Nietzsche, Wittgenstein, Heidegger und Foucault genossen und habe etliches verstanden und gelernt. Auch Habermas und Popper habe ich im Seminar gelesen und wohl auch verstanden. Aber Platon und Augustinus sind wirklich harter Toback. Ist der Zeitabstand zu diesen Philosophen zu groß.
Platon deckt im Gastmal die Schwächen und Defizite des Erosbegriffs in der Rede Agathons auf. Dann entwickelt er eine platonisch, mehr philosophische Erostheorie. Und um das Ganze zu belegen, kommt er noch mit einer Logik daher (→ Logik: a = b / b = c / a = c). Aber wozu denn die ganze Mühe? Agathon denkt sich was Hübsches aus und Sokrates /Platon tut das auch. Sokrates/Platon kann Agathon scheinbar widerlegen, Sokrates kann man möglicherweise nicht widerlegen. Wie kann man auch ausgedachte Götter widerlegen? Platon kann offensichtlich mit seiner Logik überzeugen. „Aber eine Sache, die überzeugt, ist deshalb noch nicht wahr: sie ist bloß überzeugend, Anmerkung für Esel“ (F.W.Nietzsche).
Augustinus ist noch viel schlimmer ……….
Mit Michelangelos Idee habe ich kein Problem. Denn ich verstehe ihn so, dass seine Auffassung auf einer persönlichen Erfahrung beruht. Es ist seine Wahrnehmung, dass er eine im Stein enthaltene Figur freilegt, indem er alles wegmeißelt, was für die Skulptur nicht benötigt wird.
Ich verstehe ihn so, dass er nur vvon und für sich spricht.
Hegel lasse ich mal außen vor, weil ich (noch?) zu wenig von seinem Denken verstehe.
Gruß Ida
Hallo Ida,
das ist ein sehr persönlicher und sehr interessanter Kommantar. Platon kann ich gut verstehen, da seine Theorien „einfach“ und „logisch“ sind und ich sie nachvollziehen kann. Sie bieten wenig für mein Leben aber viel für mein Denken. Bedenke ich noch, dass Platon über Jahrhunderte Einfluss auf das „abendländische“ Denken hat(te), möchte ich schon was über ihn wissen. Ich finde die Entwicklung zur Idee brilliant, ebenso wie das „Höhlengleichnis“ –
aber bitte vor allem als „Bilder“ des Denkens.
Meine Stellungsnahme ist noch nicht zu Ende – muss fortgesetzt werden.
Rainer
Ja, das Höhlengleichnis ist großartig! Damit kann auch ich etwas anfangen. Es hat eine bemerkenswerte und wichtige erkenntnistheoretische Aussage.
Im Symposion hingegen fehlt mir so etwas. Was soll das? Was hat den Philosophen zu solchen Ideen geführt?
Auf Wikepedia habe ich zum Thema „Symposion“ eine Zusammenfassung zu Foucaults Rezeption des Sympossions gefunden. Vielleicht ganz interessant, weil wir uns parallel mit Foucault beschäftigt haben und vielleicht hilft es auch dabei zu verstehen, was Platon zu seiner Philosophie bewegt haben könnte:
Michel Foucault betonte 1984 in seiner Geschichte der Sexualität den Gegensatz zwischen dem konventionellen und dem platonischen Liebesverständnis. Für Platon sei die wahrhafte Liebe dadurch charakterisiert, dass sie durch die Erscheinungen des Objekts hindurch Bezug zur Wahrheit sei. Damit werde das Liebesverhältnis als Verhältnis zur Wahrheit strukturiert. Wie Foucault hierzu näher ausführt, unterscheidet sich eine solche Liebesbeziehung von einer herkömmlichen durch das Auftreten einer neuen Person, des Meisters. Er ist derjenige, der über sich selbst als Subjekt des Begehrens reflektiert, der in der Liebe das meiste Wissen besitzt und daher der Meister der Wahrheit ist und den Geliebten über die Liebe belehrt. Im konventionellen Spiel der Liebe umwirbt ein aktiver Liebhaber einen passiven Geliebten und gewinnt ihn für sich; der Liebhaber ist stets der ältere der beiden, der Geliebte der körperlich attraktivere. Bei Platon hingegen wird der Meister der Liebe, ein erfahrener Mann, zum Liebesobjekt für Jüngere, die ihn an körperlicher Attraktivität weit übertreffen. Seine Macht über sich selbst fasziniert und verschafft ihm Macht über andere
Ida
Du betonst in Deinem Beitrag den Begriff Liebe, der hier stark leiblich ist. Bei der Entwicklung zur
platonischen Liebe ist die Entfernung vom Leib und der Prozess der Abstraktion der Schönheit
von großer Bedeutung dito die Entwicklung vom besonderen zum allgemeinen. Die Idee über-
höht den Fortgeschrittenen in eine Wirklichkeit, die nicht mehr leibhaftig, sondern übersinnlich
ist. Die Verbindung zu einer Person (evtl. Geliebter) reißt ab und es entsteht eine Einsamkeit des
Wissenden.
Rainer
Das meine ich ja, wenn ich sage, da hat er sich was hübsches ausgedacht, was man nicht widerlegen kann. Aber warum soll das besser sein als das, was sich Agathon ausgedacht hat?
nach Platon „überhöht“ die Idee den Fortgeschrittenen in eine Wirklichkeit, die nicht mehr leibhaftig, sondern übersinnlich ist. Warum soll die übersinnliche Welt denn höher sein? Wer beurteilt das?
Tja, liebe Ida, die Beurteilung liegt beim Denker und ich entnehme ihr keinen Anspruch auf Absolutheit!. Es geht hier nicht um die gefühlte Welt, es geht um die Art und Weise der Ent-
wicklung des Denkens.
Na, klar lieber Rainer,
nunmehr bin ich völlig versöhnt. Nach der heutigen Stunde sehe ich, wie wichtig die Lektüre Platons ist. Er ist philosophiegeschichtlich sehr interessant.
Über einen ungeheuer langen Zeitraum hat er die Philosophie, insbesondere die des Christentums geprägt. In der heutigen Stunde haben wir ja noch einmal gesehen, wie lange es gedauert hat, bis sich das abendländische Denken von Platon gelöst haben. Tatsächlich spukt er noch immer in den Köpfen rum, trotz Nietzsche und Foucault.
Mir ist jetzt bewußt geworden, wozu wir Platon lesen müssen. Weil wir dadurch in die Lage versetzt werden, zu erkennen, wo ein Denker in diesem Denken festhängt oder in dieses Denken zurückfällt, bzw. uns selbst nämliches unterläuft.
Gruß
Ida
Mein Denken war nie einer Gradlinigkeit unterworfen. In Zickzacklinien näherte ich mich den
Erkenntnissen – und je länger ich denke, desto unschärfer wird der Zielpunkt bzw. ein Ergebnis.
Habe ich den Eindruck auf festem Boden zu stehen, entzieht weiteres Erkennen den Standpunkt.
Platon etc. sind Steine im Wasser, zum Hüpfen auf die andere Seite. Also Bewegung und nicht
Stillstand. Gern ruhe ich mich allerdings zwischenzeitlich ein wenig aus und verharre bei dem
einen oder anderen Philosophen, wenn mich sein Denken fesselt. Aber wir sollten kühlen
Kopf bewahren…
Hallo Rainer, wie wir denken ist vemutlich mehr eine psychologische Frage. Da ich selten das Gefühl des festen Bodens unter den Füßen habe, denke ich gern systematisch, das gibt mir die Illusion der Sicherheit (hemmt aber vielleicht die Kreativität).
Wenn mir ein Philosoph gefällt, suche ich nach seinen Fehlern, behalte also sehr wohl kühlen Kopf……….Gruß Ida